Deutschland zahlt exorbitante 13,6 Milliarden Euro jährlich für IT-Rahmenverträge – Mehrheit fließt an US-Konzerne wie Microsoft und Oracle

Deutschland zahlt jährlich eine Summe von 13,6 Milliarden Euro an seine Vertragspartner für IT-Rahmenverträge und Software-Lizenzen. Diese exorbitant hohe Summe wurde nach einer Anfrage der Abgeordneten Anke-Domscheit Berg (Linke) hervorgehoben. Wen überrascht es, dass ein Großteil dieser Ausgaben an US-Konzerne geht, unter anderem für Software-Lizenzen von Microsoft und Oracle?

Der größte Anteil dieser Ausgaben sei den Bundesministerien, der Agentur für Arbeit und der Bundeswehr zuzuschreiben. Neben Microsoft verdienen sich auch Unternehmen wie Oracle einige Milliardensummen unserer Steuergelder. Interessant ist vorwiegend, dass gerade einmal knapp 10 Prozent der Ausgaben an deutsche Unternehmen ausgezahlt werden. Secunet aus Essen ist dabei einer der größten Verdiener. SAP zählt mit schlappen 1,9 Millionen Euro zu einem eher unauffälligen Kandidaten in der Auflistung, um eines der größten und erfolgreichsten deutschen Softwareunternehmen erwähnt zu haben.

Diese Anfrage zeigt deutlich die Probleme mit der IT-Infrastruktur in Deutschland auf, die von politischen und seltener von wirtschaftlichen Entscheidungen abhängt. Wir sind meiner persönlichen Ansicht nach zu abhängig von US-Konzernen. Ein nicht gerade kleiner Betrag unserer Steuergelder geht demnach ohne Umwege direkt in die Vereinigten Staaten. Es gibt hervorragende und zuverlässige Open-Source Lösungen, die bisher kaum im öffentlichen Raum eingesetzt werden. 

Dabei hat die Ampel-Koalition das Ziel der Open-Source-Förderung sogar im Koalitionsvertrag aufgenommen [Guter Artikel über die Entscheidung]. Bisher scheint hier wenig passiert zu sein. Es folgen einige Ursachen und Möglichkeiten, wie Deutschland die IT-Infrastruktur umplanen müsste, um wieder unabhängig in diesem Bereich zu werden.

Inhaltsverzeichnis:

Die Dominanz von Microsoft in Deutschland: Warum trotz alternativer Optionen viele auf Microsoft-Produkte setzen

Fast jedes Produkt von Microsoft hat in der Theorie gute Alternativen und Linux hat in den vergangenen Jahren erheblich an Benutzerfreundlichkeit dazu gewonnen. Trotzdem entscheiden sich die meisten Unternehmen und staatlichen IT-Projektentscheider immer noch für die Produkte von Microsoft. Darunter Active Directory, Exchange und Share-Point. Sowie die Office-Suite und ausländische Cloud-Lösungen (z. B. die Cloud-Plattform Azure).

Hybrid-Umgebungen sind ohnehin kaum anzutreffen. Ein kluger Schachzug von Microsoft, könnte man behaupten. Insbesondere für Mail und Schreibprogramme gibt es gleichwertige Software-Produkte, die entweder nur einen Bruchteil oder überhaupt keine Kosten verursachen würden. Doch welche Gründe kann es dann überhaupt noch geben, als deutsche Behörde freiwillig Daten ins Ausland senden zu wollen, und wir reden hier unter anderem von der deutschen Bundeswehr, dem Verteidigungsapparat unseres Landes?

Immerhin gehen wir als Nation damit ein nicht gerade geringes Risiko ein, abgehört und berechenbar zu werden (Backdoor). Als ausgelernte IT-Fachkraft und Systemadministrator sind mir ein Paar dieser Antworten selbstverständlich bekannt. Behörden und Unternehmen, genauer gesagt dessen Administratoren und IT-Leiter neigen dazu, erprobtes und funktionelles zu verwenden und wir gehen in der Praxis nur ungern Experimente ein.

Zertifikate und die Hemmnisse der Open-Source-Adoption: Warum Unternehmen und Behörden zögern, auf Linux umzusteigen

Die meisten Endbenutzer, seien es Mitarbeiter aus der Verwaltung oder welche aus dem operativen Geschäft, beherrschen seit einigen Jahren den Umgang mit den Betriebssystemen von Microsoft (Windows). Es war lange Zeit so, dass Zertifikate von Microsoft, wie der MCSA/MCSE, fast schon eine Grundvoraussetzung für die Einstellung gewesen ist. Und wenn jeder Administrator ein zertifizierter Microsoft-Admin ist, dann fehlt den Verantwortlichen mit hoher Wahrscheinlichkeit die neutrale Bewertung von alternativen Softwareprodukten, das wirkt sich selbsterklärend auch auf die Integration von Open-Source-Software aus.

Dies und die Ablehnung von Veränderungen könnten für diese Abhängigkeit verantwortlich sein. Schließlich werden Verantwortliche im IT-Bereich dafür anständig bezahlt, eine funktionelle und stabile IT-Infrastruktur bereitzustellen. Microsoft-Produkte haben sich bewährt und sind sehr umfangreich. Es würde erhebliche Umstände bereiten, das Unternehmen oder die Behörde auf Linux und Open-Source zu migrieren. Der Arbeitsprozess wäre zunächst vermutlich erheblich ausgebremst und die gewohnte Stabilität wäre vorzeitig nicht mehr zu 100 Prozent gewährleistet. Wer mag dieses Risiko schon eingehen?

Mehr Open-Source in deutschen Behörden kann Kosten einsparen

Open-Source als Antwort auf die Abhängigkeit von Microsoft: Wege zur Förderung unabhängiger IT-Infrastrukturen in Deutschland

Aber ist das tatsächlich eine legitime Antwort auf die Bequemlichkeit und die Abhängigkeit von Microsoft und anderen ausländischen Konzernen? Sollten wir uns nicht gerade deswegen, weil wir mittlerweile die Erfahrung gemacht haben, wie wichtig es ist, eine unabhängige Infrastruktur im Einsatz zu haben, auf den Open-Source Sektor fokussieren und den Abteilungen, Mitarbeitern und IT-Verantwortlichen andere Wege aufzeigen? 

Selbstverständlich kann solch ein Umstieg nicht über Nacht erfolgen. Aber wie wäre es, mit einem Prototyp-Team zu beginnen und über einen vorbestimmten Zeitraum die anderen Abteilungen und Teams nachrücken zu lassen, sofern erste Erfolge verzeichnet werden konnten? Das bedarf eine ordentliche Planung und einen Projektleiter, welcher auf den Open-Source-Bereich spezialisiert ist.

Investitionen für die Unabhängigkeit: Warum Deutschland jetzt auf Open-Source setzen sollte, inspiriert von anderen Nationen

Meiner persönlichen Meinung nach sollten wir bereit sein für das Risiko, Gelder in die Hand nehmen um Administratoren und Mitarbeiter den Umgang mit Alternativen Open-Source Lösungen zu schulen. Letzten Endes können wir ohne Abhängigkeit viele Ausgaben einsparen, die für bessere Schulungen von Mitarbeitern eingesetzt werden können, was wiederum der Effizienz und ganz besondere der Sicherheit unseres Landes erhebliche Vorteile einbringen würde.

Nehmen wir uns ein Beispiel an Frankreichs Gendarmerie Nationale, welche es innerhalb weniger Jahre als Sicherheitsbehörde vollständig verwirklichen konnte, auf Linux Distributionen und Open-Source-Software umzustellen. Das führte nachträglich betrachtet zu deutlichen Einsparungen und zur Erhöhung der nationalen Sicherheit. Backdoor nein danke! Mit diesen Worten möchte ich bewusst den Ausklang finden. Raum für Diskussionen gern in den Kommentaren gesehen.

4 Kommentare on “Deutschland zahlt exorbitante 13,6 Milliarden Euro jährlich für IT-Rahmenverträge – Mehrheit fließt an US-Konzerne wie Microsoft und Oracle

  1. Wir haben auch ausschließlich Microsoft im Einsatz. Sind zwar keine Behörde, aber soetwas ähnliches. Gibt es überhaupt IT-Leitfiguren, welche auf Open-Source spezialisiert sind?

  2. Deutschland hat verschlafen. Es gibt in Wirklichkeit kaum Menschen im öffentlichen Raum, die über Open-Source Knowhow verfügen. selbst der Selfhosted Lexikon auf deinem Blog zählt zu den besten, was man in deutscher Sprache finden kann. Guter Artikel.

  3. Ich bin zufällig auf deinen Artikel gestoßen. Als Mitarbeiter im öffentlichen Bereich, genauer gesagt in der IT-Abteilung, kann ich deinen Aussagen uneingeschränkt zustimmen. Bei uns ist mir kein einziges Open-Source-Programm bekannt. Wir setzen ausschließlich kostenpflichtige Software ein. Dein Artikel, lieber Alexander, sollte unbedingt an die Verantwortlichen weitergeleitet werden. Grüße Frank

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